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Thun geht Risiko
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Dead Man Walking: Ein heikles Modell

Nachdem die finanzielle Situation beim FC Thun seit längerem höchst angespannt ist, geht der Super Ligist jetzt auch sportlich ins Risiko.

Überraschend haben die Berner Oberländer am Freitagnachmittag verkündet, dass der Vertrag von Cheftrainer Jeff Saibene zum Saisonende nicht verlängert wird. Stattdessen übernimmt in der kommenden Saison der bisherige Co-Trainer Marc Schneider den Chefposten. Vor allem der Zeitpunkt der Bekanntgabe überraschend.

Bis im Sommer wird Saibene planmässig weiterhin auf der Trainerbank sitzen. Eine heikle Sache. Nicht wegen der Aussendarstellung: Was Beobachter, Experten und letztlich auch Fans denken, ist rein sportlich zunächst einmal egal. Auf die Spieler kommt es an.

Thun ist voll im Abstiegskampf. Die Lage für die Profis ist bereits angespannt und wird psychologisch nun noch komplizierter. Im Kopf hat sich für die Akteure unweigerlich etwas geändert. Sie wissen jetzt, dass sie unter einem Trainer spielen, der in diesem Verein ab dem Sommer keine Zukunft mehr hat. Natürlich geben sie deshalb nicht absichtlich weniger Einsatz oder hängen sich im Abstiegskampf nicht mehr rein. Dennoch besteht im Hinterkopf stets das Schein-Alibi eines baldigen Trainerwechsels.

Zudem stellen sich eine Reihe von Fragen: Warum ist Saibene für den Rest der Saison noch "gut genug", aber danach nicht mehr? Weshalb übernimmt Marc Schneider das Ruder nicht sofort? Wie harmonieren der aktuelle und der künftige Chefcoach für den Rest der Saison? Sind die Rollen weiterhin klar verteilt oder besteht die Gefahr, dass die Spieler sich schon jetzt mehr an Schneider als an Saibene orientieren?

Es ist nicht grundsätzlich neu, dass die Beendigung der Zusammenarbeit mit einem Trainer vorzeitig bekannt gegeben wird. Doch die Fälle sind meist anders gelagert und bei Nationalmannschaften oder internationalen Topklubs (Beispiele: FC Bayern, Manchester City Borussia Dortmund) einfacher zu handeln gewesen als bei Thun, wo sowohl sportlich wie auch finanziell ums Überleben gekämpft wird und die Nervosität gross ist.

Ob man im Abstiegskampf mit einem "Dead Man Walking" tatsächlich erfolgreich sein kann, kann und muss Thun jetzt beweisen. Für die Profis bietet sich immerhin die grosse Chance, echte Charakterstärke zu beweisen. Und unabhängig von der weiteren Zukunft des FC Thun ist eine gute Rückrunde natürlich für jeden Einzelnen bezüglich dessen eigener weiteren Karriere nur positiv.

Fest steht, dass der Druck auf Saibene für den Rest der Spielzeit durch die Ankündigung nicht etwa kleiner, sondern sogar grösser geworden ist. Eine Negativserie wird er jetzt mit Sicherheit nicht mehr "überleben". In solch einem Fall würde Schneider angesichts der speziellen Konstellation mit Sicherheit schon früher befördert.

Ein Kommentar von Peter Schneiter

  psc       13 Januar, 2017 20:54
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