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E-Scoccer - Virtuelle Super League für die Schweiz?

Der weltweite Trend zum E-Sport wächst und begeistert immer mehr Spieler. Aus dem kurzlebigen Boom ist längst ein realer Sport und millionenschwerer Betrieb geworden. Gerade zugunsten der durch die Corona-Krise gebeutelten Schweizer Super League sollte diese Nische genutzt und gefördert werden. Doch nicht alle Beteiligten verfolgen diese Entwicklung auf dem Sportmarkt mit Begeisterung.

Die Verluste der Schweizer Super League

Seit Ende Februar fand in der Schweizer Super League kein Spiel mehr statt. Nun sagen Veranstalter der Ligen ihre Grossanlässe bereits zum zweiten Mal für dieses Jahr ab. Der Sport steckt wohl in der grössten Krise seiner gesamten Existenz. Die Hauptakteure der Branche gewähren am virtuell durchgeführten Sport Forum Schweiz Einsicht in ihre aktuelle Lage. Den meisten Vereinen drohen Liquiditätsprobleme und ein Sturz in grosse finanzielle Schwierigkeiten. Matthias Remund, der Direktor des Bundesamts für Sport, bemisst die Verluste der professionellen und halbprofessionellen Ligen auf bis zu 650 Millionen Franken. FC Basel-Präsident Bernhard Burgener äusserte sich zur Liquidität seines Klubs in einer Gesprächsrunde: „Bis jetzt hat uns der Verkauf von Spielern über Wasser gehalten.“ Den Erlös aus solchen Überführungen bezifferte er für diesen Sommer auf etwa 35 Millionen Franken. Laut Burgener sei der Klub damit noch bis Ende des Jahres solvent. Und dann öffnet sich auch wieder der Transfermarkt.

Schwierigkeiten bereite den Klubs allerdings eher der strukturelle Ausfall von Einnahmen. Gemeint sind damit vor allem die Zuschauereinnahmen, die bis zu 40 Prozent des gesamten Jahresumsatzes in der Super League ausmachen. Matthias Aebischer, Präsident der Parlamentarischen Gruppe Sport, skizzierte im Forum eine Lösung, wie die staatliche Hilfe an die Profiligen aussehen könnte: „Die Umwandlung eines Teils des gesprochenen Notkredits von 175 Millionen für das laufende Jahr in A-fonds-perdu-Beiträge, gebunden an klare Restriktionen, könnte im Parlament eine Mehrheit finden“. Deshalb will der Bundesrat entscheiden, ob die Schweizer Profiligen solche Investitionsbeiträge zur Sanierung erhalten sollen. Auch Liga-Boss Heinrich Schifferle fordert schnelle Hilfe von der Politik in Form von Geldern, auf deren Rückzahlung die öffentliche Hand von vornherein verzichtet.

Remund sieht als Folge von Corona in der Zukunft, dass „die Digitalisierung (…) vor dem Sport nicht halt [macht].“ Pascal Schulte vom Forschungsunternehmen Nielsen Sports bestätigt diese Meinung. Untersuchungen zeigen, dass es auch weiterhin neue Sponsoren-Verpflichtungen im Sport gibt, vorzugsweise von Firmen mit grossem Online-Engagement. Die Lösung für Vereine liege jetzt im Gewinn neuer Werbepartner, indem virtuell dargestellte Angebote im Sport geschaffen werden.

E-Sport in der Realität

Fans und Sportler selbst widmen sich nun dem E-Sport, damit es wenigstens virtuell weitergeht. Doch was genau bedeutet E-Sport in Bezug auf den Fussball überhaupt? Und vor dem PC Fussball spielen – ist das noch Sport?

Als E-Sport bezeichnet man das wettkampfmässige Zocken gegen menschliche Gegenspieler vor dem Computer. Beliebtester Titel im Sportbereich ist die Fussball-Simulation FIFA. Mittlerweile finden sogar Weltmeisterschaften mit Millionen Zuschauern live vor dem Bildschirm statt. Einige Fans haben inzwischen auch tolle Erfahrungen mit sportingbet gesammelt, um via Sportwetten digital bei Wettkämpfen und Turnieren mitzufiebern. Führende Anbieter von E-Sportanalysen rechnen mit einem weltweiten Wachstum des E-Sportpublikums von 380 Millionen (2018) auf 557 Millionen bis Ende 2021. Der Umsatz mit Tickets, Werbung und Fan-Artikeln wird bis 2021 wohl die 2 Milliarden Dollar-Marke knacken. Auf dieses boomende Potenzial sollte auch der gebeutelte Präsenz-Fussball eingehen!

Auch wenn man beim E-Soccer die körpereigenen, sportartspezifischen Bewegungen nicht ausführt, sind die körperlichen Anforderungen jedoch höher als bei anderen anerkannten Sportarten wie Schach oder Darts. So braucht ein E-Sportler eine gute Hand-Auge-Koordination und eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit.

Der Schweizer Fussball braucht eine Veränderung

Pascal Zuberbühler trifft im FIFA Museum auf Thomas Temperli für eine Runde E-Soccer. FIFA-Legende Temperli ist einer der erfolgreichsten E-Soccer-Spieler, den die Schweiz je hatte, sowie aktuell der Coach des E-Nationalteams. Für die Goali-Legende und ehemaligen Nationalspieler ist E-Soccer mittlerweile ein wichtiger Teil des Fussball und sollte gerade jetzt weiter ausgebaut werden. Zuberbühler ist begeistert und für ihn steht fest: Es braucht eine digitale Schweizer Liga für den Fussball.

„Das wird sehr schnell kommen, da bin ich mir zu 100 Prozent sicher, so wie das gewachsen ist mit dem eFootball. Selbst im FIFA Museum gibt es eine E-Sport-Abteilung. Ich hoffe auch, dass so eine Liga kommt.“

Auch für Temperli war die Erfahrung mit Zuberbühler durchweg positiv.

„Es ist schön zu sehen, dass auch ehemalige Fussballer Interesse am E-Sport zeigen und die ganze Szene auch verfolgen. Wie die Jugendlichen heute den Fussball konsumieren, nicht nur durch Zuschauen im Fernsehen oder Stadion, sondern auch durch das FIFA Game sich ein gewisses taktisches Verständnis aneignen.“

In einigen Ländern der Europäischen Union gibt bereits ein virtuelles Gegenstück zur Präsenz-Liga, allein in Deutschland starten 26 Klubs. Darunter unter anderem

  • der FC Augsburg
  • der 1. FC Nürnberg und
  • die SpVgg Greuther Fürth.

Auch in der Swiss Football League (SFL) gibt es nun Bestrebungen für eine virtuelle Liga. Doch das Thema E-Soccer spaltet die Meinungen der Schweizer Fussballvereine. Bei Ancillo Canepa, dem Präsidenten des FC Zürich, stösst man dahingehend auf Ablehnung: „E-Sports findet vorläufig ohne den FCZ statt.“ Der Servette FC lässt seine E-Sport-Abteilung aufgrund von Sparmassnahmen erstmal ruhen, während der Aufsteiger FC Lausanne-Sport daran festhält.

Lausanne-Sport sieht allerdings hinter den aktuellen Plänen noch kein ausgereiftes Konzept: „Die aktuelle Herangehensweise ist aber problematisch“, sagt Vincent Steinmann, der im Verein für den E-Sport zuständig ist. Auch Joachim Reuter, Leiter E-Sports im FCB, bezeichnet die Pläne als ausbaufähig. „Meinem Empfinden nach fällt es auch hierzulande einigen Menschen schwer zu akzeptieren, dass sich die Welt verändert. Deshalb ist ein Konzept, das nicht nur auf dem Hype basiert, wichtig.“ Ursprünglich war die Stärkung einer virtuellen Super League bereits für dieses Jahr geplant. Aktuell liegt der Fokus vieler Vereine aus wirtschaftlichen Gründen allerdings auf der generellen Existenzsicherung.

  psc       20 November, 2020 15:02
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