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Die Entwicklung des modernen Stürmers verändert die offensive Identität des Fussballs

Vom Strafraumjäger zum falschen Neuner

Stürmer sind längst nicht mehr nur Vollstrecker. Vom Spielmacher bis zum Pressing-Leader – die Rolle der Nummer 9 hat sich grundlegend verändert und prägt heute die Angriffssysteme auf allen Ebenen.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Fussball eine taktische Revolution erlebt. Nirgendwo zeigt sich das deutlicher als in der Rolle des Stürmers. Früher hauptsächlich über ihre Torquote definiert, wird von heutigen Stürmern viel mehr erwartet – sie lassen sich ins Mittelfeld fallen, verknüpfen das Spiel, schaffen Räume und führen das Pressing an. Während die EM 2025 näher rückt, prägt dieser Wandel weiterhin die Art und Weise, wie Spitzenteams ihre Offensive aufbauen und Trainer über ihre vorderste Reihe denken. Selbst abseits des Platzes spiegelt sich die Entwicklung in überraschenden Bereichen wider – Plattformen wie Pistolo greifen immer häufiger Fussballthemen auf, was zeigt, wie sehr taktische Trends mittlerweile Teil der Fankultur geworden sind.

In den frühen 2000er Jahren galt der ideale Stürmer als eiskalter Vollstrecker, der hoch stand und von den Vorlagen der Aussen und offensiven Mittelfeldspieler lebte. Spieler wie Filippo Inzaghi oder Ruud van Nistelrooy waren Paradebeispiele – gefährlich im Strafraum, aber kaum in den Spielaufbau eingebunden.

Dieses Modell begann sich mit Akteuren wie Francesco Totti und später Lionel Messi zu verändern, die als sogenannte „falsche Neuner“ agierten – sie liessen sich ins Mittelfeld fallen, um dort Überzahlsituationen zu schaffen. Diese Herangehensweise verwirrte die Abwehrreihen und öffnete Räume für Flügelspieler. Pep Guardiolas FC Barcelona machte dieses System populär, das heute fest im Repertoire vieler Topteams verankert ist.

Im Jahr 2025 ist die Vorstellung eines fest positionierten Mittelstürmers nahezu überholt. Spieler wie Harry Kane und Karim Benzema verkörpern diese Entwicklung perfekt – sie treffen nicht nur zuverlässig, sondern lenken auch das Spiel, ziehen Verteidiger heraus und schaffen Chancen für andere. Ein reiner Strafraumstürmer reicht nicht mehr aus.

Der Pressing-Stürmer und defensive Aufgaben

Moderne Stürmer sind auch im Defensivverhalten zentral. In Pressingsystemen übernehmen sie die Rolle der ersten Verteidiger, setzen Innenverteidiger früh unter Druck und lösen Pressingfallen aus. Dafür braucht es Ausdauer, Spielintelligenz und taktisches Feingefühl – nicht nur Torinstinkt.

Rasmus Højlund bei Manchester United und Victor Osimhen bei Neapel sind Beispiele für Stürmer, die körperliche Präsenz mit aggressivem Pressing verbinden. Ihre Fähigkeit, den Spielaufbau des Gegners zu stören, ist ebenso wertvoll wie ihr Abschluss. Selbst Erling Haaland, bekannt für seine Tore, ist bei Manchester City oft Teil der Pressingmechanismen, sobald der Ball verloren geht.

Diese Defensivaufgaben haben auch die Erwartungen an junge Angreifer verändert. Nachwuchstrainer legen heute genauso viel Wert auf Laufwege, Pressingverhalten und Passspiel wie auf den Torabschluss.

Kreative Spielgestalter statt reine Knipser

Die wohl deutlichste Veränderung: Stürmer sollen heute aktiv am Spielaufbau teilnehmen und Torchancen mit kreieren. Spieler wie Kai Havertz oder Cody Gakpo starten oft zentral, lassen sich aber ins Mittelfeld fallen, wodurch sie Raum für Mitspieler schaffen. Diese Flexibilität macht defensive Zuordnungen schwierig und starre Formationen wirkungslos.

In Deutschland wird Jamal Musiala häufig in offensiven Positionen eingesetzt, wo seine Dribbelstärke und Kreativität dem Spiel eine neue Dimension verleihen. Auch wenn er kein klassischer Mittelstürmer ist, verkörpert er die Vielseitigkeit, die moderne Systeme verlangen.

Der Stürmer im Jahr 2025 muss ein Allrounder sein – Torschütze, Spielmacher, Pressingmaschine und Verbindungsspieler zugleich. Die Transformation ist abgeschlossen, und der Fussball ist dadurch komplexer und spannender geworden.

  psc       17 Juni, 2025 12:57
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